Datenkompetenz und freies Wissen – eine Leerstelle politischer Bildung?

Organisationen, Wissen­schaftler und öffentliche Einrichtungen sammeln Daten und analysieren den Zustand der Demokratie, der Zivilgesellschaft, der Grundrechte, des Internets oder anderer gesellschaftlicher Entwicklungen. Ihre Daten und Berichte können Fachleute im Bereich der Demokratie- und Menschenrechtsbildung auf vielfältige Weise informieren und unterstützen. Jedoch – es mangelt oft an Interesse und Fähigkeiten.

Für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten und die politische Bildung sind die Daten und datenbasierten Erkenntnisse insbesondere aus vier Gründen besonders wichtig:

  • Erstens soll sich politische Bildung ihrem Profesionverständnis nach an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten. Das wird umso wichtiger, je mehr viele andere spekulativ oder gesinnungsorientiert unterwegs sind.
  • Denn Daten helfen uns, zweitens, die Welt und gesellschaftspolitische Herausforderungen zu erkennen und zu verstehen,
  • Drittens verstehen wir die Bedürfnisse und Nöte unserer Zielgruppen und unseres Kontexts besser. Das gilt umso mehr, wenn der öffentliche Diskurs stereotyp über Gruppen berichtet oder Einstellungen und Bedürfnisse falsch wiedergibt. Dies ist zum Beispiel zum Thema politisches Haltungen zur Digitalisierung der Fall, aber auch Minderheitengruppen können das aus eigener Anschauung bestätigen.
  • Viertens unterstützt Datenkompetenz das kritische Denken. Sie ist auch in einer umfassend verdateten Gesellschaft, deren Entwicklung zunehmend insbesondere auf der Erhebung und Analyse persönlicher Daten aufbaut, zu einer unentbehrlichen Fähigkeit, ohne die Autonomie nicht denkbar sein wird.

Was folgt daraus? Das eine ist, zu beschreiben, was wichtig ist und wichtiger werden sollte. Gleichzeitig sind die Herausforderungen auch hoch: In dem Maße, in dem die Kompetenz von Schüler:innen zum Analysieren von Daten und zum kritischen Lesen abnimmt, kann die außerschulische Bildung nicht auf den Vorarbeiten der formalen Bildung aufbauen. Zweitens gibt es mehr und auch mehr unterschiedliche Daten, Datenportale und Reports, jedoch relativ zu diesem Wachstum weniger Einordnung – etwa durch unabhängigen Journalismus, der ja im Gegensatz zum Ansteigen des Datenozeans immer mehr unter Druck gerät. Zivilgesellschaft und Bildner:innen müssten hier aktiv einspringen. Andererseits zeigen uns Projekte wie Wikipedia und die der Bewegung um freie Lizenzen und offenes Wissen, dass es möglich ist, Wissenshunger, Lust auf Evidenz und Beteiligung an der Wissensgesellschaft popularisierbar sind. Auch aus dem Erfahrungstransfer mit Journalist:innen lässt sich Inspiration für politische Bildung und die Kompetenzerweiterung der entsprechenden Fachkräfte ziehen.


Möglichkeiten der politischen Bildung

  • Daten und Empfehlungen aus den Berichten oder öffentlichen Datenplattformen können direkt in Lernangeboten als Informationsquellen verwendet werden.
  • Darüber hinaus können sie auch als Material betrachtet werden, mit dem die Teilnehmer oder Organisationen in ihren Materialien oder Texten weiterarbeiten können.
  • Die Teilnehmer können sie auch zur Erstellung von Visualisierungen wie Karten oder Infografiken verwenden.
  • Recherchestrategien und -techniken vermitteln, die Daten einbeziehen

Auf dieser Seite habe ich einige Links zu interessanten und vertrauenswürdigen Quellen zusammengestellt:


Datenkompetenz aus Demokratieperspektive

Alle Menschen brauchen heutzutage die Fähigkeit, mit Daten und Berichten umgehen zu können, denn wir leben in einer datengesteuerten Gesellschaft. Diese Kompetenz darf nicht nur in die Ausbildung zukünftiger Datenspezialisten einfließen. Sie muss bei allen trainiert werden.

User:innen produzieren konstant persönliche Daten: Tracking von Fitness, der Periode oder die Erfassung von Gesundheitsdaten. Datenkompetenz wird hier zu einer Frage der Selbstbestimmung. Erst sie hilft uns, unsere Rechte auf Privatsphäre und Datenschutz wirksam werden zu lassen und unsere digitalen Identität zu kontrollieren.

Initiativen, NGOs und Bildungseinrichtungen nutzen Daten ebenfalls für ihre eigenen Zwecke. Sie helfen ihnen, ihre Wirkung zu messen und in Berichten darzustellen oder ihre Argumente evidenzbasiert zu präsentieren.

Allgemein hilft die fundierte Nutzung und Analyse von Daten uns, Einblick in aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu nehmen, z. B. wie sich Diskurse in sozialen Medien entwickeln und welche Gruppen im öffentlichen Diskurs an Einfluss gewinnen. Bevölkerungsstatistiken, Verkehrs- oder Umweltdaten informieren die Bürger:innen über Entwicklungen und Probleme in ihrer Gemeinde. Daten liefern auch Belege für gesellschaftspolitische Themen und bestätigen oder widerlegen Annahmen.


DigComp: Informations- und Datenkompetenz

Der Umgang mit Daten ist eine Kernkompetenz des DigComp-Kompetenzrahmens. Sie umfasst ihm folgend folgende Aspekte:

Daten, Informationen & digitale Inhalte durchsuchen, suchen, filtern

  • Informationsbedürfnisse artikulieren,
  • Daten, Informationen und Inhalte in digitalen Umgebungen suchen,
  • Auf diese zugreifen und zwischen ihnen navigieren.
  • Persönliche Suchstrategien erstellen und aktualisieren.

Daten, Informationen und digitale Inhalte bewerten

  • Die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Datenquellen, Informationen und digitalen Inhalten analysieren, vergleichen und kritisch bewerten.
  • Die Daten, Informationen und digitalen Inhalte analysieren, interpretieren und kritisch bewerten

Daten, Informationen und digitale Inhalte verwalten

  • Sie in einer strukturierten Umgebung organisieren und verarbeiten
  • Daten, Informationen und Inhalte in digitalen Umgebungen organisieren, speichern und abrufen.

Quelle: DigComp 2.2 (Vuorikari et al., 2022)


UNESCO: Media & Information Literacy

In ihrem Medien- und Informationskompetenzansatz hat die UNESCO die hier angesprochene Kompetenz duetlich als Informationskompetenz verortet. Gleichzeitig sind auch Aspekte wichtig, die der Medienkompetenz (z. B. kritisch zu prüfen, oder zu verstehen, wozu wir in einer Demokratie Daten benötigen) oder Digitalkompetenz (z. B. digitale Tools nutzen) zugeordnet werden.

Aspekte von Medien- und Informationskompetenz (MIL):

Quelle: UNESCO, 2021


Freies Wissen

Der freie Zugang zu Wissen ist essenziell. Dank unabhängiger Forschungsdaten konnte man 1986 erkennen, dass in Tschernobyl eine Kernschmelze stattfand. Dank dieser Daten konnte man 2025 auch erkennen, dass Gerüchte um Atomwaffentests Anfang November nicht zutreffen. Während der Covid-19 Pandemie wurde auch deutlich, wie wesentlich aber auch herausfordernd es neben der Fähigkeit zur Datenerhebung und zum Informieren ist, Daten einordnen zu können und datenbasiert Handlung abzuleiten.

Die Arbeit der um offene und freie Lizenzen bemühten Bewegung, besonders zu erwähnen sind hier meines Erachtens die Open Knowledge Foundation, Wikipedia und die für Offene Bildungsmaterialien (OER) oder Creative Commons Engagierten, hat uns auch darauf hingewiesen, dass die aktive Beteiligung und der aktive Umgang mit Informationen und Materialien essenziell ist. Selbst zum Informationsbestand der Gesellschaft beitragen ist ein wichtiger Dienst an der Gemeinschaft.

Die jüngsten Angriffe von Elon Musk auf Wikipedia haben das deutlich gemacht: Wikipedias Qualität ist deshalb herausragend, weil das Projekt beteiligend und offen konzipiert ist, somit die Bandbreite des gesellschaftlichen Pluralismus abzudecken bemüht ist. Jede:r sollte einmal jährlich etwas zu Wikipedia beitragen – etwa mit einem Verbesserungsvorschlag.

Auch die Wikimedia Foundation bekommt den technologischen Wandel zu spüren. In einem aktuellen Blogartikel beschreibt sie, welche Probleme entstehen können, wenn Nutzer*innen nicht mehr direkt auf freies Wissen zugreifen, sondern dieses KI-kuratiert vorgekaut bekommen.


Zu den Quellen:

Schuster, C. (23. Oktober 2025). Wie KI den Zugang zu Wissen verändert – und warum Wikipedia unersetzlich bleibt.

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO 2021). Media and information literate citizens: think critically, click wisely! Think criticallym click wisely. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000377068

Vuorikari, R.; & Kluzer, S.; Punie, Y. (2022). „DigComp 2.2: The Digital Competence Framework for Citizens – With new examples of knowledge, skills and attitudes,“ JRC Research Reports JRC128415, Joint Research Centre. https://data.europa.eu/doi/10.2760/115376.