Zum Beispiel Smartwatches oder Fitnesstracker: Digitalisierung am Körper.

Gesunde und demokratische Digitalisierung ist Technologie im Dienste der Menschen. Dieser Satz drückt unsere Hoffnung und Neugier auf neue Entwicklungen aus, gibt aber auch unseren Bedenken Raum – ab wann dienen die Menschen den Maschinen statt umgekehrt? Beim Thema Tracking und der Digitalisierung des Körpers kommen diese Fragen schnell auf. Weil das Interesse an Smartwatches und Trackern insgesamt aber relativ groß ist, ist die Beschäftigung damit auch ein guter Einstieg, um mehr über die Digitalisierung zu lernen.

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Fundamentale Krtitik weicht sich manchmal auf, wenn man nur nahe genug hinschaut, wer sich heutzutage mal gelegentlich, mal regelmäßig trackt. Smartwatches, Smartphones und moderne Plattformen haben Tracking, Bewerten und Vergleichen wirklich alltäglich gemacht. Gleichzeitig herrscht auch kein Mangel an technologischer Blauäugigkeit. Das Demokratieversprechen, das Dienstleistende und Produzent:innen von smarter Technologie geben, indem sie die Demokratisierung des digitalen Fortschritts proklamieren, weil immer mehr Menschen an ihren komplexen Diensten teilhaben könnten, ist recht oberflächlich. Müsste man nicht eigentlich andersherum sagen: Die Industrie darf eventuell und wenn das gewollt ist, an den Daten teilhaben, die den Käufer:innen ihrer Produkte gehören?

Was sollen wir denn nun von diesem Mess-Zeug halten, fragen sich Viele. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Denn ein reflektierter Gebrauch von Technologie beginnt, wenn Menschen sich die Fragen nach ihren Risiken und Möglichkeiten sorgfältig stellen. Nach der Phase der ersten Euphorie und der Versprechungen, dem Hype, haben manche ein abgerundetes Bild aus eigener Anschauung und aus dem Austausch mit Anderen gewinnen können.

Da das Versprechen von Body Machine Interaction (BMI) aber auch mit hohen Risiken einhergeht, müssen wir alle ein Interesse daran haben, dass Menschen mehr über diese Technologie und ihre Anwendung lernen, Vorurteile überwinden, kritische Aspekte erkennen, Gefahren und Bedrohungen beseitigen. Wie bei jeder technologischen Innovation dürfen wir uns nicht auf die Prospekte und Ingenieur:innen verlassen. Als Nutzer:innen solcher Technologie müssen wir uns fragen: inwieweit hilft sie mir, oder inwieweit schafft sie neue Abhängigkeiten und Probleme?


Ubiquitäre Computerisierung: Geräte werden soziale Akteure

Körpernahe tracking- und messfähige Geräte sind ein wichtiger Baustein, um die Idee des Ubiquitous Computing umzusetzen. Die Vision dahinter ist, Geräte so in unseren Alltag zu integrieren dass sie als soziale Teilnehmer in neuer Form mit uns interagieren. Smartphones haben gezeigt, wie diese Idee unser Verhältnis zu Computern verändern kann und wie die allgegenwärtige Datenübermittlung das Bedienen eines Computers bequem und intuitiv machen kann.

Im Falle von Tracking-Tools, Fitness-Apps oder Zyklus-Apps ist offensichtlich, wie sie ein persönliches Bedürfnis ihrer Nutzer:innen bedienen. Obwohl diese Dinge auch vor den Zeiten von BigData und der mobilen Vernetzung hätten digitalisiert werden können, bietet die neue Art der Datenverarbeitung weitere Vorteile: Wir können Informationen mit anderen teilen, uns mit anderen Menschen messen, Informationen aus der Vergangenheit und der Gegenwart zusammenführen und so auch Erkenntnisse über unser zukünftiges Verhalten gewinnen. Und das Wichtigste: Sie müssen keinen Computer einschalten, kein Programm laufen lassen, keine .csv-Datei exportieren und importieren und so weiter. Alles wird scheinbar automatisch und schnell erledigt. Solche Tracking und Mess-Apps demokratisierten tatsächlich auch das quantifizierte Selbst. Was hätten Olympioniken damals für solche Tools bezahlt, und wir bekommen sie heute kostenlos!

QUANTIFIED SELF:
Eine Praxis, bei der „eine Person sich aktiv mit Geräten und Applikationen misst, um aufgrund der Analyseresultate Wissen zu generieren, das dazu beiträgt, ihren Lebensstil und ihr Verhalten in den Bereichen Fitness, Wellness oder Gesundheit zu optimieren.“

Meidert et al., 2018, S. 42

Ein Rahmen für „persönliche Wissenschaft“ verstanden als eine „Praxis der Nutzung empirischer Methoden“, um persönliche Fragen mittels Daten und digitalen Geräten zu erforschen.

https://quantifiedself.com/

Zeigen uns die Tracking-Tools und -Apps also, dass das Ubiquitäre Computing gewonnen hat und allen anderen Visionen des Computing überlegen ist? Nicht ganz, denn es gibt Gründe für eine kritischere Sichtweise. Wenn der Anspruch ist, dass Technologie den Menschen dient, muss der Maßstab der Betrachtung sein, inwieweit BMI-Apps und Tools Menschen im Sinne von Empowerment befähigen:

Empowerment durch Technologie

Verbesserung von Fähigkeiten
Lösung von Problemen
Beitrag zu Selbstbestimmung, Teilhabe und Autonomie
den Menschen Verfügungsgewalt und Kontrolle über ihre Daten, Geräte und digitale Identität geben

Eine sozio-technische Sicht auf BMI

Die smarte Sockenschublade

Damit kleine Geräte leistungsfähig und kompetent werden können, sind sie zunächst auf die Anbindung an größere Rechenzentren angewiesen. Um ihre Allgegenwart für Analyse nutzbar zu machen, müssen viele Daten verarbeitet werden, die von intelligenten Lautsprechern, Uhren, Glühbirnen, Herzschrittmachern geteilt werden, aber nicht im Gerät, sondern irgendwo anders. Hatten unsere Großeltern früher noch Notizbücher in der Sockenschublade, in denen sie ihre Körpertemperatur und Zahl der Liegestütze täglich notierten, so befindet sich die Sockenschublade von heute auf verschiedenen Servern in Europa, Asien und Nordamerika. Passen Sie auf, dass neugierige Nachbarn nicht uneingeladen nachsehen, welche Farbe Ihre Socken haben oder was Sie sonst noch vor ihnen verbergen möchten.

Kontrolle eigener intimer Daten

Zweitens unterliegt dieser Datenfluss nicht der Kontrolle der Personen, die für ihn verantwortlich sind. Wir sind auf eine von den Anbietern der Technologie definierte Rolle als Datenproduzent:innen und Nutzer:innen beschränkt. Um diesen Doppelcharakter sichtbar zu machen, sprechen wir im Folgenden auch nicht nur von Nutzer:innen, Anwender:innen oder Konsument:innen, sondern von Produser:innen.

„PRODUCER“ und „USER“ können im Digitalen oft nicht klar getrennt werden. Wir produzieren mit unseren Körpern die Daten, auf die die Dienste angewiesen sind. Wir nutzen die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden. Die Grenzen verschwimmen und deshalb schlagen manche „PRODUSER“ vor. Nur eine Frage ist damit nicht geklärt: Inwieweit sind wir auch „OWNER“?

Techno-Optimist:innen wie die aus der Quantified-Self-Szene kritisieren nicht das Ubiquitäre Computing an sic, sondern experimentieren mit Möglichkeiten, Geräte und Daten aus ihren proprietären Käfigen zu befreien und NutzerInnen die Kontrolle zu geben. Andere wollen die die Präsenz und Art des Trackings und Messens im täglichen Leben stärker reglementieren. Sie machen sich Sorgen um die Privatsphäre, vor allem wenn Daten in den privatesten Bereichen und Räumen erzeugt werden. Außerdem fordern sie mehr Überblick darüber, was mit den Daten gemacht wird. Vor allem, was der Anbieter des Dienstes tut – welche Daten durch welches Analysemodell und mit Hilfe welcher anderen Daten verarbeitet werden – was der Dienst mit den persönlichen Daten macht, ohne dass wir Produser:innen davon wissen. Leider gibt es Momentan kein Gerät auf dem Markt, das es sofort ermöglichen würde, den Datenfluss auf ihr eigenes Netz oder Gerät zu begrenzen und die Daten nicht mit anderen zu teilen.

Teilen – mit wem noch?

Drittens wird relevant, ob die aus Produser:innendaten gewonnenen Erkenntnisse auch über die a) Produser:innen und b) Anbieter:innen hinaus mit c) Dritten geteilt werden. Nicht zuletzt sind Systeme, die Big Data nutzen, auf einen konstanten Fluss von vielen und Daten angewiesen. Infolgedessen versuchen Fitness-Apps und Tracking-Tools, die Nutzer dazu zu bewegen, sie so weit wie möglich zu nutzen. Für gute Analysemodelle und Voraussagen muss die Erzeugung falscher Daten (z. B. durch Schummeln) oder keiner Daten (Ausschalten der Tracking-Funktionen oder Nichtbenutzung der Geräte) begrenzt werden. Eine Möglichkeit, eine stärkere Bindung zu erreichen, ist Gamification, d. h. die Übertragung von spielerischen und Game-Elementen in einen anderen Kontext (z. B. bunte, sich bewegende, interaktive Elemente), und Nudging (z. B. Aufforderungen und motivierende, scheinbar persönliche Nachrichten).

Neue Abhängigkeiten

Es ist plausibel, dass Gamification sensible oder zu Missbrauch neigende Personen zu ungesundem Verhalten verleiten kann. Grundlegendere Kritik befürchtet die Auswirkungen für die Gesellschaft: Das Verfolgen und Überwacht-Werden könne zu einer unhinterfragbaren Norm werden und, wenn es schließlich Teil unseres Habitus wird, die Möglichkeit, sich dieser Technologie zu widersetzen, immer mehr verringern. So wie die öffentliche „Bewertung“ anderer durch die von digitalen Plattformen „angebotenen“ oder auferlegten Bewertungssysteme zur Normalität wurde. Oder wie Kinder, die mit smarten Puppen oder mit sie im Auftrag ihrer Eltern überwachenden Smartphones groß werden, von früh auf an digitale Überwachung gewöhnt sind.

Allgemeiner auf unsere heutigen digitalen Identitäten schauend, jenen digitalen Repräsentanzen der Persönlichkeit, die wir kontinuierlich erzeugen, muss man berücksichtigen, dass besonders die körpernahen Geräte eine Unmenge von persönlichen Daten erzeugen. Das Kuratieren der eigenen Identität im Internet wird damit umso schwieriger.

Sicherheit

Wir müssen Sicherheit voraussetzen. Insbesondere Menschen, die sich auf Body Machine Interaction (BMI) verlassen müssen, z. B. auf Herzschrittmacher, Cochlea-Implantate oder Hirnstimulatoren, aber auch auf nicht-invasive Formen wie Smartwatches und Fitness-Tracker, müssen zu 100 % auf die Integrität und auf wissenschaftlich valide Analysemodelle vertrauen können.

Forscher wie Ienca & Haselager (2016) haben verschiedene Szenarien entwickelt, wie Wahrnehmung und Hirn gehackt werden könnten. Ihre Erkenntnisse lassen sich aber auch auf andere Arten der Verbindung zwischen Mensch und Maschinen übertragen. Geräte können natürlich direkt gehackt werden. Bedrohlicher, weil einfacher, ist jedoch die indirekte Manipulation, indem die Verbindung zwischen Gerät und Analyse angegriffen und manipuliert wird. Ebenso gefährlich und noch weniger steuerbar sind gewöhnliche Softwareprobleme, die durch falsche oder nicht genügend sorgfältig getestete Updates hervorgerufen werden können.

Alltagsnahe Probleme werden bereits von der Maschinenethik aufgeworfen, aber bei weitem noch nicht beantwortet: Wer ist verantwortlich für Handlungen, die durch Mensch-Maschine-Interaktion ausgelöst werden, welche Kontrollmechanismen müssen eingebaut werden, damit ein Mensch eine von einem System ausgeführte automatische Handlung kontrollieren kann usw. (Clausen et al., 2017) Es wäre zu kurz gegriffen, hier nur an Gehirnimplantate oder futuristische Dinge zu denken. Schon autonome Autos, Dienstleistungsroboter oder normale smarte Prothesen bewegen sich hier auf zweideutigem Terrain.


Selbstlernen und digitale Bildung

Überwiegen die negativen Aspekte dieser neuen BMI-Geräte letztlich ihre Vorteile? Um das zu beantworten muss man zuallererst über die Vor- und Nachteile lernen und auch abwägen. Die Unternehmen, die mit BMI ihr Geld verdienen, haben bislang nicht gezeigt, dass sie sich dafür zuständig fühlen. Also müssen Produser:innen selbst aktiv werden und dabei von digitaler Bildung, Verbraucherschutzorganisationen, digitaler Zivilgesellschaft und Medien besser unterstützt werden.

Realistisch die eigene Trackingvorlieben betrachten

Eine Studie aus der Schweiz (Meidert et al., 2018) hat sich genauer damit beschäftigt, wie verschiedene Personen diese Tools und Apps nutzen. Sie schließen, wie bereits in unserer Broschüre zum Digitalen Selbst beschrieben (Zimmermann, 2021, p. 38) dass das Quantifiziertes Selbst Menschen in ihrer Körperwahrnehmung (42 %) stärkt und ihren Körper zu beobachten hilft (27 %). Daher würde es eine Chance für ein besseres Leben eröffnen (30 %). Auf der anderen Seite haben viele Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre (31 %), bewerten die datengetriebene Selbstbeobachtung als negativ, da sie die natürliche Kompetenz zur Selbstbeobachtung untergrabe (21 %) und/oder kritisieren die nicht exakte Messung und halten sie für eine Spielerei (24 %).

Weniger gesunde Menschen sind dagegen zurückhaltender. Sie messen generell, wenn es sein muss, sei es zur Prävention, zur Vorbereitung einer Beratung oder weil sie krank sind. Vor allem bei den ungesunden Menschen wachsen die Bedenken. Aus ihren Befragungen schließen die Forscher, „dass es eine allgemeine Angst gibt, in Zukunft wegen der Wahl des Lebensstils diskriminiert oder benachteiligt zu werden“ (Meidert et al., S. 84).

Im Allgemeinen messen die Menschen: Schritte (63 %), Gewicht (26 %), Puls (26 %), Kalorien (26 %), Menstruation (23 %), Schlaf (21 %), Treppen (15 %), andere Parameter (15 %) und Blutdruck (9 %) (S. 81). Hauptsächlich nutzen sie ihre Smartphones mit einer App (62 %), herkömmliche Geräte (26 %), Aktivitätstracker (25 %) und intelligente Uhren (17 %) (ebd., S. 84).

Es scheint empirisch erwiesen, dass es ein aufstiegsorientiertes und ein leistungsorientiertes Milieu von Vieltrackenden gibt, für die der Körper als symbolisches Kapital eine wichtige Rolle spielt. Aber dieses repräsentiert bei weitem nicht die Mehrheit der Befragten. Zudem: für die Nutzung von Zyklus-Apps zum Beispiel spielen kompetitive Gründe sicher keine Rolle. Anstatt uns also abschrecken zu lassen, lohnt doch ein genauerer Blick.

  • Überlegen Sie, welche Plattformen, Apps und Geräte Sie tracken und welche über Sie Messdaten gewinnen.
  • Wie gehen Sie damit um? Sind Sie neugierig und probieren alle Funktionen durch? Nutzen Sie Ihr Gerät kontinuierlich?
  • Denken Sie während der Nutzung an Risiken?
  • Erfreuen Sie sich allgemein an Daten?
  • Versuchen Sie Ihr Gerät hin und wieder zu betrügen?

Welche der von den Schweizer Wissenschaftler:innen identifizierten Typen stehen Ihnen besonders nahe?

1 Anna, die Sportliche2 Toby, der Technikaffine
Trackt beim Laufen, um Strecke, Zeit und Puls sowie den Fortschritt zu messen. Sie möchte optimal trainieren und sich auf ihr Trainingsziel vorbereiten. Sonst trackt sie gar nicht.ist neugierig auf die Technik, darauf, was sie bietet und wie sie sich verwenden lässt. Das Tracken macht ihm Spass. Hat viele Geräte und Gadgets, die er einsetzt und testet.
3 Tamy, die Diabetikerin4 Juan, der kritische Nichtnutzer
Weil sie eine chronische Erkrankung hat, trackt sie. Sie misst ihre Blutzuckerwerte sehr oft am Tag, um gesund zu bleiben.Trackt nicht, weil er nicht möchte, dass seine Daten anderen zugänglich sind. Möchte auch nicht zu viel über sich wissen, sondern eher nach seinem Gefühl leben.
5 Klaudia, die Vieltrackerin6 Steven, der Schrittzählende
Um ihr Gewicht zu reduzieren misst sie viele Parameter systematisch und leitet Wissen daraus ab. Sie will sich Dinge anhand von Zahlen bewusst machen.Trackt Schritte mit einem Schrittzähler, um gerade auch in seinem Alter fit zu bleiben. Er setzt sich tägliche Schrittziele.
Mehr zu den Profilen und Quelle:
Meidert et al, S. 92 ff.
 

Befähigung durch Technologie?

Helfen Ihnen die Daten und die Analyse, Ihre…+5+30-3-5Summe
Fähigkeiten zu verbessern?      
Probleme zu lösen?      
Selbstbestimmung, Teilhabe und Unabhängigkeit zu verbessern?      
Verfügungsgewalt und Kontrolle über ihre Daten und Geräte zu erhöhen?      

App- und Geräte-Check

In Tests und Bewertungen von Tracking Apps und Geräten und von sozialen Plattformen kommen diese Aspekte leider fast gar nicht vor. Eine Sache wäre, darauf zu drängen, dass oben genannte Aspekte aufgenommen werden und den Bedingungen für Teilen und Datenanalyse mehr Gewicht bei den Kaufentscheidungen zu geben.

Zudem müssen wir als Gesellschaft diskutieren, welche Formen des Trackens oder der Datenweitergabe verboten werden sollen oder durch alternative privatsphäreverträglichere Alternativen ersetzt werden können: Zum Beispiel, dass man Analyse ohne Internetzugriff betreiben kann, dass Daten mir offen zur Verfügung stehen, so dass ich sie auch mit anderen Programmen auslesen kann, dass ich entscheiden kann, wem sie in welcher Form, wie lange und für welchen Zweck zur Verfügung stehen.

  • Keine der getesteten Smartwatches konnte 2019 die deutsche Stiftung Warentest hinsichtlich des Datenschutzes überzeugen. Allerdings floss dieser gerade mal mit 10% in die Bewertungen ein.
  • Für Android-Nutzer ermöglicht die Open-Source App Gadgetbridge einige Fitnesstracker und Smartwatchmodelle ohne Konto bei den Herstellern und ohne Internetverbindung zu nutzen.

Für welchen sozialen Mehrwert bin ich bereit, persönliche Daten zu teilen?

Die CoronaApp hat den Nutzen von körpernaher Technologie auch für die Allgemeinheit demonstriert. Es gibt darüber hinaus auch weitere Szenarien, in denen die Weitergabe von persönlichen Daten im eigenen und im öffentlichen Interesse sein kann. Zum Beispiel bei Pandemien, in Katastrophenfällen, oder um GesundheitsforscherInnen zu ermöglichen, ihre Forschung besser am gesellschaftlichen Bedarf auszurichten oder ihre Theorien auf den empirischen Prüfstand zu stellen. Was würden Sie preisgeben und in welcher Form?


Bedenken second?

Ein Beispiel, wie es nicht gehen kann, ist sicherlich die Elektronische Patiententakte in Deutschland. Obwohl ein Mammutprojekt ermöglicht sie noch kurz vor ihrer Einführung Anfang 2022 Patient:innen ohne geeignete Geräte immer noch nicht, dokumentengenau zu bestimmen, welches Gesundheitspersonal welche Daten einsehen darf. Im schlimmsten Fall kann die Orthopädin die psychotherapeutischen Befunde von vor 20 Jahren einsehen. Es wird auch nicht dokumentiert, wer welches Dokument eingesehen hat (BfDI). Es wäre gut, wenn wir nicht darauf vertrauen müssten, dass solche grotesken Fehlplanungen nach und nach von ehrenamtlich Aktiven wie aus dem Chaos Computer Club oder von Datenschutzbeauftragten fast schon zufällig aufgedeckt werden.

Erst recht können wir bei privatwirtschaftlich organisierten Projekten nicht hoffen, dass Privatsphäre, Vertraulichkeit, Sicherheit oder Kontrolle den höchsten Stellenwert genießen. Zudem ist die Weiterentwicklung tendenziell eher von ökonomischen als von medizinischen Interessen getrieben (Bertelsmann Stiftung, 2016).

Privatsphäre ist heutzutage wesentlich weiter zu fassen als nur der Schutz der Daten vor Manipulation oder dem Zugriff von Nicht-Befugten. Zum Schutz ihrer Privatsphäre müssen Produser:innen auch Daten kontrollieren sowie dem Markt oder anderen wieder entziehen können. Andere hingegen sind, wie oben beschrieben, der Meinung, die Privatsphäre sei gewahrt, sofern der Schatz von Gesundheitsdaten wirksam anonymisiert sei und er könne so der Forschung zur Verfügung gestellt werden.

Was für mich gut sein kann, schadet möglicherweise anderen. Nehmen wir zum Beispiel an, die Idee von Versicherungen würde sich durchsetzen und ihre Tarife würden an Tracking gebunden werden. Warum? Weil sich Risiken so viel präziser bemessen lassen. Natürlich werden gesunde und risikoarme Personen davon profitieren, vulnerable Gruppen dafür aber massiv draufzahlen und gezwungen, ihren Lebensstil vor Algorithmen zu rechtfertigen. In diesem Sinne treffen wir Entscheidungen nicht nur für uns, sondern auch für andere mit.


Reden wir über die Digitalisierung am Körper

Obwohl Viele Unbehagen spüren, wenn sie an Tracking, Messen, Algorithmen in Zusammenhang mit Körperdaten oder im Zusammenhang mit Implantaten und Prothesen denken, hoffe ich, dass dieser Beitrag etwas Neugierde wecken konnte.

Gerade an den Unmengen von personenbezogenen Daten und der zunehmenden Zahl von Sensoren um jede:n von uns herum wird sich eine verbesserte (europäische) Regulierung beweisen müssen. Hier wird sich zeigen, ob der europäische Weg zur Digitalisierung deutlich anders sein wird, als der nordamerikanische oder chinesische.

Gleichzeitig verbinden Viele existenzielle Hoffnung mit den Möglichkeiten dieser Form der Digitalisierung, die ihnen helfen kann, ihre Fähigkeiten selbstbestimmt zu erweitern. Da wird es dann doch definitiv viel zu interessant, als dass wir das Thema nur den Ingenieur:innen überlassen sollten!

Zu guter Letzt sei angemerkt: Obwohl Vielen unbehaglich ist beim Gedanken an das Thema, sind noch mehr Menschen daran interessiert oder praktizieren das quantifizierte Selbst bereits im kleinen. Somit ist ihre Erfahrung eine Kompetenz, die die (politische) Bildung und digitale Bildung bislang nicht wirklich berücksichtigt. Vielleicht ändert sich das?


Referenzen

Bertelsmann Stiftung (2016). Health Apps, Spotlight Healthcare. Gütersloh. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/SpotGes_Health_apps_en_final.pdf

Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI): Die elektronische Patientenakte (ePA) https://www.bfdi.bund.de/DE/Buerger/Inhalte/GesundheitSoziales/Allgemein/elektronischePatientenakte.html

Clausen, J.; Fetz, E., Donoghue, J.; John Donoghue, Ushiba, J; Chandler, J.; Spörhase, U.; Birbaumer, N.; Soekadar, S. (2017). Help, hope, and hype: Ethical dimensions of neuroprosthetics. Science 2017/06/30, p.1338 f. https://doi.org/10.1126/science.aam7731

Ienca, M; Haselager, P. (2016). Hacking the brain: brain–computer interfacing technology and the ethics of neurosecurity. In Ethics Inf Technol (2016) 18: 117. https://doi.org/10.1007/s10676-016-9398-9

Meidert, U.; Scheermesser, M.; Prieur, Y.; Hegyi, S.; Stockinger, K.; Eyyi, G.; Evers-Wölk, M.; Jacobs, M.; Oertel, B.; Becker, H. (2018). Quantified Self – Schnittstelle zwischen Lifestyle und Medizin. TA-SWISS 67, Zürich. https://doi.org/10.3218/3892-7