Impact: Schokoriegel? Ergänzungsmittel?

Es ist allgemein gut, zu wissen, wo man hin will, wenn man unterwegs ist. Dies gilt auch für Organisationen. Im Zusammenhang mit NGOs und in den Social Entrepreneurship und Förderungsszenen wird dies als “Wirkungsorientierung” verhandelt. “Impact” ist Mode, doch was steckt drin im Begriff?

Im Kontext jahrzehntelanger Deregulierung und Marktorientierung im Non-Profit-Sektor ist Wirkungsmessung ein Mittel, um der Ineffizienz Herr zu werden.

Andererseits kann man Wirkungsorientierung als notwendige Haltung sehen, die einer Organisation oder einem Projekt hilft, eine Art Landkarte zu entwerfen, die hilft, den eigenen Weg zu beschreiben, einen Weg, der über konkrete Handlungen zu einer näheren Utopie und zu größeren gesellschaftlichen Zielen führen soll.

Wie soll man sich zu Wirkungsorientierung verhalten, das ist die Frage, die NGOs für sich beantworten müssen.

Unbestreitbar ist, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrem Handeln legitimieren müssen, wollen sie als gemeinwohlorientierte Akteure respektiert werden. Diese Legitimation ensteht durch die Art ihrer Zusammenarbeit – etwa freiwillig, gewaltfrei, transparent. In besonderem Maße interessiert ihre Mitglieder und die sie umgebende Öffentlichkeit auch, inwiefern sie auf ein sozial wünschenswertes Ziel orientiert sind und wie sie zu seiner Erreichnung beitragen. Um besonders das letztgenannte Bedürfnis zu befriedigen sollten Organisationen, Gruppen oder Initiativen eine Veränderungslogik darlegen, wie sie gesellschaftliche Relevanz zu erzeugen beabsichtigen. Das Praxishandbuch Reflective Peacebuilding skizziert diese Theory of Change als “Beschreibung wie und warum ein Bündel an Aktivitäten die Veränderung hervorbringt, die ein Projektgestalter anstrebt.” (Lederach, 2007, S.25)

Theory of Change: Beschreibung, wie und warum ein Bündel von Aktivitäten die von einem Projektgestalter angestrebte Veränderung hervorbringt.

Lederach, Neufeldt, Culbertson: Reflective Peacebuilding

Weil sich nun gesellschaftliche Wirkung in verschiedenen sozialen Sphären anders zeigt, können die Vorstellungen von der Veränderungslogik differenziert beschrieben werden: Etwa eine Beschreibung auf der persönlichen Ebene der Beteiligten, eine ökologische, eine der Beziehungen zwischen den Menschen, eine der Strukturveränderung, je nach Projektfokus liegen manche der genannten Aspekte näher oder ferner.

Zum Beispiel kann in einem ganz simplen Nachbarschaftsgarten auf der persönlichen Ebene die Wirkungskette folgendermaßen aussehen: Jemand lernt zu gärtnern, darauf aufbauend erwirbt sie Wissen über die Zubereitung von den Jahreszeiten entsprechenden regionalen Lebensmitteln. Auf der kulturellen Ebene sorgt das Projekt dafür, dass regionales und den Jahreszeiten entsprechende Ernährung popularisiert wird. Aufbauend von begeisterten einzelnen Gärterinnen und Gärtnern werden auch andere errreicht, die gar nicht mitgärtnern.

Felder der
Veränderung ↓
SchwerpunktVeränderungslogik
PersonFähigkeit zu gärtnern, Interesse an regionalem und saisonalem Essen, Fähigkeit der ZubereitungMit Gärtnern werden Einzelne motiviert, mehr über Ihre Ernährung und Zubereitung von Essen zu erfahren. Die Verfügbarkeit von günstig selbst gezogenem Gemüse motiviert sie, es auch zu verarbeiten. Weil das Meiste nur saisonal verfügbar ist, wird saisonal kochen gelernt. Im Effekt wird man weniger importierte oder Agrarfabrik-Gemüse kaufen. Nun macht man sich Gedanken über die Bedingungen der Herstellung im eigenen Projekt und im Gewächshaus und kauft öfter beim lokalen Landwirt des Vertrauens statt im Discounter.
Beziehungen
Umwelt
Strukturen
Kultur

Wirkungskette

Das Beispiel zeigt, dass eine Theory of Change sowohl auf Wirkungen aufbaut, die in verschiedenen Bereichen und gesellschaftlichen Systemen jeweils in anderer Form sichtbar werden, als auch auf einer chronologischen Wirkungslogik. Letztere beginnt mit einer persönlichen Verbindung eines Einzelnen oder einer  Einzelnen mit einer Aktivität – hier ist es das Mittun im Garten. Am Ende der Beschreibung steht dann ein bewusst handelnder Konsument und Produzent saisonaler und regionaler Küche, der kritisch über die Wirkung der globalen Nahrungsketten nachdenkt und sich deshalb für den lokalen Markt einsetzt und die Erzeugnisse lokaler Bauern propagiert. Das kann man auch in einem Flussdiagramm darstellen

Vertraut werden → Lernen über → erfolgreiche Erfahrung → Lernen über Neues → neues Verhalten → Andere erreichen → neues Verhalten Anderer → …

Auch für das ganze Projekt kann so eine Wirkungskette erstellt werden, in verschiedenen Modellen wird das etwa in Form einer Kette, Pyramide oder durch Treppenstufen verbildlicht.

Man beginnt mit den Ressourcen, die etwa ein Team, ein Projekt oder eine Organisation zur Verfügung stellen. (hier vereinfacht gesagt das Gärtnern und der Garten). Outputs beschreiben die konkreten Aktivitäten und Produkte, die entwickelt und unternommen werden, um die Wirkung zu erzielen. (hier die gezogenen Gemüse, die erfolgreich zubereiteten Mahlzeiten, die monatlichen Gärtnertreffen, drei Infostände auf dem Wochenmarkt).

Outcome beschreibt, wie diese Outputs zu Verhaltensänderungen und verändertem Denken der einbezogenen Menschen geführt haben (die Person wird sich öfter saisonal und regional ernähren und bei lokalen Landwirtschaften kaufen).

Impact beschreibt am Ende in einer allgemeineren Weise, wie das konkrete Handeln zu einem höheren Gut beigetragen haben, wie es die Welt ein bisschen besser gemacht hat (andere Menschen werden mehr Produkte beim Wochenmarkt kaufen, Schulen schmeißen die Billig-Caterer raus, es gibt mindestens ein saisonales Essen in der Ministeriumskantine…).


Wirkungskette

Ressourcen
Was die Gruppe oder Gemeinschaft einbringt: Materielle und immaterielle Ressourcen wie Zeit, ehrenamtliche Arbeit oder geldwerte Leistungen.

Output: Leistungen und Produkte
Was die Menschen konkret tun oder anbieten.

  • Treffen, Veranstaltungen
  • Dienstleistungen, Produkte
  • Aktivitäten zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeit

Outcome: Persönliche oder ortsbezogene Veränderung
Ergebnisse auf der Ebene der Zielgruppen und Aktiven.

  • Veränderte Perspektive auf ein Thema oder das Projekt im Allgemeinen
  • Veränderte Motivation
  • Verändertes Verhalten

Impact: Allgemeiner gesellschaftlicher Effekt
Ergebnisse als Teil eines langfristigeren Wandels, der durch die Aktivitäten angeregt wurde und befeuert wird.

  • Das höhere gemeinsame Gut
  • Die Wirkung von freiwilligem Engagement und Kooperation auf andere soziale Prozesse
  • Die Wirkung auf die weitere Öffentlichkeit, die nicht an den Aktivitäten teilgenommen hat

Zahlen bitte? Indikatoren und Qualität

So weit klingen die meisten Wirkungsmodellierungen logisch. Problematischer ist aus Sicht der Akteure oft die Auswahl angemessener Indikatoren, die die Qualität von Engagement beschreiben. Viele auf Wirkungsketten beruhende Modelle scheinen die Effekte von Aktivitäten unterzubewerten, in denen soziale Beziehung im Vordergrund steht, während Expansion, Innovation oder andere Quantitäten als Wachstum messbar wären. So entzieht sich soziales Handeln einerseits seiner Ökonomisierung, deren erster Schritt ja eine quantifizierte Erfassung ist.

Anderserseits darf der Wert und die Qualität sozialer Beziehungen und der sie ermöglichenden Strukturen nicht unterschätzt werden. Sie erzeugen zweifellos soziales Kapital und damit den Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, auch ohne, dass Produkte entstehen, man sich bei Netzwerktreffen präsentiert, Beziehungen zu Medien pflegt oder Förderungen beantragt. Viele ehrenamtlich Aktive wollen ihre knappe Ressource Zeit auch nicht dazu einsetzen, den Wert ihrer Aktivitäten zu quantifizieren.

Am Ehesten werden diese Qualitäten durch die Erfahrungen und Berichte der einbezogenen Menschen erlebbar, beschreibend wie eine Gruppe funktioniert, wie Verhalten und Denken sich ändert, was den Mitgliedern wichtig ist – jedoch nicht unbedingt wie viel.

Die Wirkungslogik entsteht im Auge der Beteiligten

Kann es sein, dass die Apologeten von mehr Wirkungslogik ihren Gegenstand etwas aus den Augen verlieren im Bemühen allem und jedem ein “Wirkt” Label anzukleben oder um Förderentscheidungen zu objektivieren?

Das ist sicherlich sinnvoll im Wettbewerb verschiedener Akteure um knappe Ressourcen, aber idealerweise soll gesellschaftliche Kooperation zum Schaffen neuer Ressourcen führen und zu reichen Beziehungen.

Wenn Wirkungsketten, Wirkungsstufen, Theories of Change oder ausgefüllte Logframes einen sozialen Mehrwert haben, dann vielleicht diesen: Sie helfen Akteuren, ihren Kontext zu verstehen und anderen zu vermitteln, insbesondere in von Effizienzerwartungen geprägten Förderkontexten.

Mögliche Ansatzpunkte

Kommunikation trägt zu Glaubwürdigkeit und Institutionenvertrauen bei und stärkt die Resilienz zivilgesellschaftlicher Strukturen. Das Image, die Summe der von außen wahrgenommenen Verhalten, Kommunikationen und Erscheinungsbilder ist an dieser Stelle ein notwendiger Aspekt für die Analyse. Auch zur Verständigung im Inneren kann die regelmäßige Selbstvergewisserung über die eigenen Ziele und Methoden beitragen. Hierbei spielt gerade auch die nicht-intendierte Wirkung eine Rolle. Eine Aktivität führt womöglich zu einer ganzen Reihe von Effekten und Verhaltensänderungen an Stellen und in Richtungen, die man nicht vermutet oder selbst nicht sieht.

Ein vielversprechender Ansatz sind Methoden, die Storytelling als eine offene Erfassungsmethode benutzen. Der Ansatz Most Significant Change nutzt Beschreibungen der Wirkung einer Organisation oder eines Programms, die, weil sie von Vielen geteilt werden, als signifikant gelten können. Oder man erfasst Stories aus der Perspektive verschiedener Stakeholder mit dem Ziel, die Vielfalt an sozialen Merkmalen, Funktionen oder Einstellungen im Inneren und aus der Außenwahrnehmung festzuhalten.

  • Der Fokus sollte auf dem Verstehenwollen liegen, wie Handlungen Veränderung hervorbringen, gerade auch in den Dimensionen, die sich einer Quantifizierung entziehen
  • Die Außenperspektive ist so wichtig wie die Binnenperspektive, eine realistische Beschreibung des Images gibt Auskunft über die Wirkung in die Gesellschaft.
  • Regelmäßigkeit der Reflexion anhand der Ziele und wie diese erreicht wurden, dient der Vergewisserung einer Organisation und der Integration ihrer Teile
  • Indikatorensets und Auswertungsmethoden sollten  nicht-intendierte Wirkungen mit erfassen können
  • Gespräche über Ziele implizieren Diskussionen über Indikatoren – beides sollte zusammen verhandelt werden
  • Ein interessanter Ansatz zum tieferen Verständnis der Wirkung können qualitative Methoden sein, etwa Storytelling

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