Vom Fachthema zur Lebensrealität: Umgang mit KI in der außerschulischen politischen Bildung

Beim Umgang mit KI geht es nicht nur um technisches Verständnis, sondern vor allem um den Einfluss der Technologie auf unser Zusammenleben. Ein Gespräch über Ansätze in der außerschulischen Bildung von Nina Heinrich (werkstatt.bpb.de) mit Georg Pirker und Nils-Eyk Zimmermann (beide Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten).

Erschienen auf: werkstatt.bpb.de am 11.05.2023

werkstatt.bpb.de: Wie kann man in der außerschulischen Bildung die Funktionsweise maschinellen Lernens vermitteln?

Nils Eyk-Zimmermann Zunächst einmal kann man Analogien bilden. Wenn wir auf den Dieselskandal blicken, nehmen wir nicht an, dass wir Ingenieure sein müssen, um uns ein Urteil über Potenziale und Gefahren des Verbrennungsmotors zu erlauben. Es reicht auch erst einmal aus zu wissen, dass ein “Defeat Device” (Anm. d. Red.: Einrichtung zum Abschalten der Abgasreinigung) im Geheimen Abgaswerte manipuliert, ohne einen modernen Motor im Detail zu verstehen. Wir wissen, dass es Einfluss auf unsere politischen und ökologischen Ziele nimmt, müssen verstehen lernen, wie es sich auswirkt und wie wir einer besonders problematischen technischen Praxis einen Riegel vorschieben können. Die technische Funktionsweise eines KI-Algorithmus ist für die Vermittlung und das Verstehen nichts anderes als die eines Dieselmotors.

werkstatt.bpb.de: Nun handelt es sich bei KI um digitale Technologien. Ist der Algorithmus von einem Bot vielleicht doch schwieriger erklärbar als die Mechanik eines Dieselmotors?

Zimmermann Der Begriff “Künstliche Intelligenz” ist vergleichbar mit “Plattform” oder “Cloud”, also ein sogenannter “Umbrella-Term” (Anm. d. Red.: klassifizierender Oberbegriff für eine Vielzahl von Wörtern). Skeptiker würden sagen: Ein “Buzzword”. Wir brauchen natürlich mehr Wissen darüber, wie diese Systeme angelegt sind. So wie wir bei den Verbrennungsmotoren auch wissen müssen, dass da Benzin oder Diesel verbrannt wird und wo die Probleme liegen. Politische Bildung richtet den Blick insbesondere auf Folgen, Wirkungen oder Regeln in Bezug auf Technologie. Zum Bilden von Analogien gehört, einen Blick auf mögliche Szenarien zu werfen. Dabei ist es entscheidend, neugierige Fragen zu den Technikfolgen zu formulieren.

werkstatt.bpb.de: Hat der Launch von ChatGPT in der Hinsicht für die außerschulische Bildungslandschaft etwas verändert?

Georg Pirker Das Feld außerschulischer politischer Jugend- oder Erwachsenenbildung setzt sich auf jeden Fall verstärkt mit KI auseinander, weil ChatGPT KI von einem medienpädagogischen Fachthema zu einem Thema der gesellschaftlichen Lebensrealität gemacht hat. Wir hatten alle schon vorher alltäglich mit Bots zu tun – bei Flugbuchungen oder im Gespräch mit unserem Telefonanbieter. ChatGPT bringt das Ganze noch einen Schritt weiter. Wenn wir uns Bildungssettings anschauen, insbesondere lebensweltlich bezogenes Lernen, dann werden wir meistens sehen, dass die KI aktuell noch mehr auf die Teilnehmenden angewiesen ist als die Teilnehmenden auf die KI, um Entscheidungen zu treffen oder um etwas zu bewerten.

werkstatt.bpb.de: Und wie funktioniert dieses lebensweltlich bezogene Lernen konkret?

Pirker Nils sagte ja, man müsse Analogien entwickeln. Es gibt eine Menge Spiele, auch analoge Spiele, wo man nachempfinden kann, wie KI funktioniert und wie KI lernt. Man kann auch ein Spiel wie “TicTacToe” (Anm. d. Red.: Auch “Kreis und Kreuz” genannt) im Internet gegen eine KI spielen und kriegt mit, was die von einem lernt. Nach einer gewissen Zeit ist man dann mit den normalen Strategien nicht mehr dazu in der Lage, gegen die KI zu gewinnen oder es läuft zwangsläufig auf ein Unentschieden hinaus