Digitalisierung, Beschleunigung und technologische Perspektive in der Jugendbildung

Erschienen in: Die Zukunft beginnt heute… Die neue Realität des internationalen Austausches mit Jugendlichen in der Hauptrolle.
Materialien der internationalen Konferenz in Kreisau vom 16.–18. Oktober 2023 | online

Die digitale Transformation ist ein sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Wandlungsprozess, der durch den Einsatz von Computern sowie der Kommunikations- und Informationstechnologie vorangetrieben wird. Der Begriff beschreibt die Reorganisation von Kommunikationsformen, Infrastrukturen
und Dienstleistungen sowie die wirtschaftlichen und kulturellen Praktiken
des Staates.

Wenn man auf ihre Entwicklung blickt, folgte auf eine Phase der einfachen elektronischen Übertragung analoger Praktiken (im Englischen „digitisation“) die Vernetzung verschiedener Dienstleistungen und Geräte. Damit tauchten neben den stationären Computern (die seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts kleiner, universeller und erschwinglicher wurden) im gesamten
Berufs- und Alltagsleben immer mehr Geräte auf („ubiquitär“). Deren zunehmende Vernetzung und Verknüpfung in Kombination mit der Möglichkeit, auch die durch die elektronische Vernetzung zusätzlich entstehenden Daten zu nutzen (Datafizierung), hat neue Formen und Geschäftsmodelle ermöglicht – Plattformisierung, Big Data, Smart Home, oder angewandte KI.

  • Datafizierung: Computer (und computerisierte Gegenstände wie „smarte“ Glühbirnen oder Smart Watches…) und die mit ihnen verbundenen Dienstleistungen sind in unserem Alltag omnipräsent. Sie produzieren und verarbeiten Daten aus sozialen Interaktionen (eingebettet in analoge Prozesse) und als soziale Akteure (Nass & Moon, 2000). Dieser Trend geht mit intensiven Entwicklungen und Investitionen in Big Data, algorithmische Verarbeitung und Künstliche Intelligenz einher.
  • Plattformisierung: Zusammenarbeit, Austausch, Lernen, Kultur und Arbeit werden durch digitale Infrastrukturen (Plattformen) vermittelt.Je mehr die Nutzung von Plattformen in vielen Lebensbereichen notwendig wird, desto mehr wandeln sich Plattformen von Vermittlerinnen zu mächtigen Akteurinnen (van Dijck et al., 2018). Der Plattformkapitalismus (Staab, 2019; Srnicek, 2016), eine neue wirtschaftliche Form, will sich durch eine Dominanzstrategie im Internet-Ökosystem durchsetzen.
  • Globalisierung: Hardware wird erschwinglich und zum allgemeinen Konsumgut. Wertschöpfungs- und Produktionsketten werden internationalisiert. Digitale Inklusion und digitale Spaltung erfolgen jenseits konkreter räumlicher Bezüge.
  • Netzwerkausbau: Der Bedarf an Netzstrukturen wächst und die für deren Aufrechterhaltung und Ausbau erforderlichen Investitionen nehmen unter großen öffentlichen und privaten (finanziellen) Anstrengungen verbunden mit steigenden ökologischen Folgekosten zu.

Die digitale Transformation ist eine durch diese Merkmale gekennzeichnete Evolution, die kontinuierlich unseren Alltag und alle gesellschaftlichen Bereiche mitgeprägt hat. Sie ist jedoch keine Revolution.

Die diesbezüglichen Gefühle der Menschen bleiben allerdings weiterhin ambivalent. Das Special Eurobarometer 518 hat das 2021 erneut bestätigt: Die Europäer:innen stehen der Digitalisierung konstant überwiegend positiv gegenüber, sehen sie aber ebenso konstant auch kritisch, insbesondere was die Sicherheit und den Schutz vor Kriminalität, das Kindeswohl oder den Umgang mit personenbezogenen Daten und die Datenerfassung durch den Staat und Privatpersonen betrifft. Dabei wird immer wieder das Bedürfnis nach mehr Information und Überblick sowie die Forderung laut, dass die Rechte der Bürger:innen auch im digitalen Bereich die gleiche Rolle spielen sollten wie auf anderen Gebieten (Europäische Komission, 2021). Auch neue Technologien wie BigData, Künstliche Intelligenz, Generative KI oder Internet-Plattformen werden in den Gesellschaften Europas wohlwollend kritisch rezipiert – kritischer jedoch, als die medialen Diskurse das oft vermitteln. Im Rückblick auf die letzten 20 Jahre zeigt sich, dass Governance, Mitbestimmung, Demokratiebindung, digitale Rechte oder digitale Unabhängigkeit in dem Maße strategisch wichtige Vorhaben der Digitalisierungspolitik werden, in dem die Digitalisierung als solche systemrelevant wurde (in der EU z. B. GDPR, DSA/DMA, AI Act, Chatkontrolle).

Die Bewertung der digitalen Transformation ist auch unter ihren prinzipiellen
Befürworter:innen nicht unumstritten. Je nach Perspektive lautet die Diagnose Überwachungskapitalismus (Zuboff, 2019), Datenkolonialismus (Couldry & Mejias, 2019), Industrie 4.0 (Regierungen oder Wirtschaftsverbände) oder Weltgesellschaft (Castells 2001), Technologie, die für die Menschen arbeitet (Digitale Agenda der EU, Europäische Kommission, 2020).

Dies gibt der demokratiebezogenen politischen Bildung (die die politische Urteilsfähigkeit stärkt und das mündige staatsbürgerliche Handeln unterstützt) recht viel Material an die Hand, um den Bürger:innen das Thema der digitalen Transformation besser zugänglich zu machen.